Island im Sommer
Von Hirtshals im Norden Dänemarks über die Färöer-Inseln bis nach Seydisfjördur im Osten Island verläuft die Route der Nordmeer-Fähre „Norröna“ Woche für Woche. Sie nimmt etliche Passagiere, technisch hochgerüstete Geländewagen, normale Kleinwagen und Limousinen sowie Unmengen von Wohnmobilen auf. Schon am Sonnabendmittag ist der sonst so beschauliche Ort nicht mehr wiederzuerkennen. Ich staune nur noch: Auf dem Parkplatz über dem Hafen hat sich eine Abenteurerkolonie niedergelassen. „Expedition Island“ oder „Feuer und Eis Expedition“ sogar "Abenteuerreisen pur" prangt in Riesenlettern an den Autos. Klappzelte auf den Autodächern verbreiten den Hauch von Freiheit und Abenteuer. Klar, dass da zünftige Alukisten und Sandbleche auf den feuerverzinkten Spezialdachträgern nicht fehlen. Fachgespräche über GPS-Daten und den legendären Hi-Jack fliegen zwischen Unimog und Landy hin und her.
Die Norröna kommt pünktlich an, jetzt beginnt das große Beladen. Wohnmobile, Wohnwagen und Geländewagen werden in die etwas höheren Zwischendecks verstaut. Dann die ganz normalen Kleinwagen und Limousinen. Ein netter Italiener hat sich seinen niedlichen Fiat als Wohnmobil eingerichtet – Brett zum Schlafen längst vom Beifahrersitz bis zur Hutablage und dazu eine Kaffeemaschine für den Zigarettenanzünder. Irgendwie mutig und sehr kompromissfähig der Mann. Horst redet ihm noch aus, sich mit seinem Spoiler ins Hochland zu wagen. Ob das wohl hilft? Aber in Island gibt es unter den Individualtouristen kein Entkommen. Man trifft sich immer zweimal....
Jetzt fangen auch noch die Schauerleute an eine Menge Fischkisten und Kühlcontainer zu rangieren. Rappelvoll ist die Fähre, als endlich gegen 20 Uhr die Klappe des Riesenschiffsmauls sich schließt. Ich bin bereits über die Passagierbrücke ins Innere des Kreuzfahrparadieses gelangt und finde unsere Kabine ganz oben im achten Stock. Nett, dass wir freie Sicht auf das
Sonnenschein an Deck, viele Basstölpel, Mantelmöwen und Skuas umkreisen unser Schiff. Tolle Fotomotive, wie die Vögel pfeilschnell um uns herumkreisen. Dann trübt es mehr und mehr ein und das Schiff begint zu schaukeln. Spucknäpfe werden im ganzen Schiff verteilt. Ich habe es doch gewusst, wenn ich an Bord bin, geht der elende Seegang so richtig los. Also immer, wenn man gerade fast eingeschlafen ist, mit dem Kopf nach unten in das nächste Wellental und kurze Zeit später hat man das Gefühl, man stünde kerzengerade im Bett. Hundert Mal, tausend Mal, dann ist endlich Morgen.
Gegen 9 Uhr dann Einlaufen in Thorshavn, der Hauptstadt der Färöer. Hier werden wir für zweieinhalb Tage an Land gesetzt. Aber die schroffen Färöer-Inseln sind es auf jeden Fall Wert, sich einmal ein bisschen genauer umzuschauen. Nach dem Einchecken im Hostel Kerjalon (ganz schick hoch oben über der Stadt mit Hafenblick) machen wir uns sofort auf den Weg nach Vestmanna im Norden der Insel Streymoy.
Es regnet junge Hunde und die Nebelschwaden sind dichter als eine Tüllgardine. So richtig Spaß und Urlaubsfreude will da nicht aufkommen. Hier wird jedes Foto zur Herausforderung! Am Ende der Hafenpier in Vestmanna entdecken wir einen Fischzuchtbetrieb. Horst geht fragen, welche Sorte Fisch eigentlich in den Käfigen schwimmt. Und kommt freudestrahlend wieder heraus. Der Geschäftsführer des Unternehmens hat uns spontan und herzlich eingeladen, einfach heute Nachmittag mit ihm zu den großen Käfigen in die Bucht hinauszufahren und die gesamte Mästprozedur der Seeforellen genau kennenzulernen. Ein interessanter Nachmittag auf dem Wasser folgt. Snaebjörn Hansen von der Firma Vestlax verpasst uns erst einmal einen Wärmeoverall und Gummistiefel. Dann geht es per Boot durch den Fjordarm.
Allein das ist schon ein Erlebnis. Leider hüllt uns immer noch ein ständiger Nieselregen ein. Bei den Fischen werden wir stumm vor Staunen. Rund 4000 Seeforellen mit jeweils 4,5 Kilo schwimmen in jedem der Netzkäfige. 1.300000 Seeforellen mit einem Schlachtgewicht von 4,5 Kilogramm wachsen in einer Periode von etwa 1,5 Jahren hier heran. Per Computer werden die Tiere gefüttert und überwacht. Wieder zurück an Land gibt’s im Büro von Snaebjörn noch heißen Kaffee und selbstgebackenen Kuchen. Besonders stolz ist der Färinger übrigens auf seine 20jährige Tochter, die auf einem Fischdampfer nördlich von Spitzbergen auf Shrimpsfang ist.
Gestern kamen wir zum ersten Mal wieder in den Genuss der Mitternachtssonne. Naja, eigentlich liegen die Färöer ja noch nicht am Polarkreis. Dennoch bleibt es jetzt im Juli Tag und Nacht hell. Als es gegen 22.00 Uhr noch einmal aufklarte und die Sonne so richtig zu scheinen begann, hielt uns nichts mehr im Bett. Also Steppjacke an, sicherheitshalber Regenhut auf und die Wanderstiefel geschnürt. Im Sonnenschein am Fjord entlang nach Kirkjuboer. Im Farbenspiel der tiefstehenden Sonne lagen der mittelalterliche Bischofsitz und die Ruine des Magnusdoms vor uns. Ein seltenes Schauspiel und das für uns ganz alleine. Niemand weit und breit, nur die Wellen des Fjordes plätscherten am Strand. Auf dem Rückweg waren wir immer noch ganz ergriffen und fielen gegen 2.00 Uhr ins Bett.
Am nächsten Morgen traute ich dann meinen Augen kaum. Noch vor wenigen Stunden Sonnenschein und eine laue Sommernacht und jetzt hatte sich das Wetter total geändert. War der Nebel am Vortag noch mit einer leichten Tüllgardine zu vergleichen, hing jetzt plötzlich ein blickdichter Samtvorhang vor unseren Augen. Alles grau in grau. Dazu pladderten die Regentropfen. Unentwegt. Also ab in die Regenklamotten und los geht’s. Wir lassen uns doch nicht von so einem bisschen Regen unterkriegen. Mit unserem Auto wollen wir éine Tour zum nördlichsten Ort der Inseln unternehmen.
Auch den vielen färingischen Schafen sieht man ihren Missmut an. Die Muttertiere laufen jetzt im Sommer mit ihren Lämmern (meist zwei) völlig frei durch die Gegend. Da die früher sehr begehrte Schafwolle im Zeitalter von Fleecepullover und Goretex-Jacke nicht mehr gebraucht wird, werden die Tiere auch nicht mehr geschoren. Da muss man schon einmal laut loslachen, wenn die Schaf-Ladies mit Plüschstola behangen und mit flauschigen Kniestrümpfen über die Straße flitzen. Das Hinterteil dagegen schon völlig blank. Und der Blick. Auch Schafe wollen nicht ausgelacht werden!
Ganz ungefährlich ist die Freiheitsliebe und Spontanität der Schafmamas allerdings nicht. Weder für Mutti Schaf selbst noch für den Autofahrer, der eines der lieben Tierchen versehentlich anfährt. Richtig in die Bremsen muss man häufig dann gehen, wenn die lieben Kleinen der über die Straße hechtenden Mama folgen wollen. Natürlich ohne rechts und links zu schauen. Und der färingische Besitzer des Schafes wird nicht etwa die Beule in Ihrem Auto anschauen und Sie bemitleiden, sondern im Brustton der Überzeugung kundtun, dass Sie sein allerbestes Zuchtschaf über den Haufen gefahren haben. Und das kostet natürlich extra.
Discofeeling im Unterseetunnel
Knapp 50000 Einwohner gibt es auf der grünen und nebligen Inselwelt der Färöers. Und für diese Bürger wird alles getan, damit sie jederzeit und immer bequem von einer Insel zur nächsten kommen können. Per Auto versteht sich. Gute Straßen gab es schon lange, einige Brücken auch. Tunnelbau ist zurzeit das Zauberwort. Um die Fährverkehre zwischen den Inseln zu ersetzen ist 2006 sogar ein 6,5 Kilometer langer Unterseetunnel zwischen der Insel Esturoy und Bordoy gebaut worden, der sozusagen als I-Tüpfelchen auch noch die nächste Halbinsel durchquert – unterirdisch natürlich. Die immensen Kosten des Projektes versucht man jetzt durch eine Mautgebühr wieder hereinzuholen. Ich glaube, da müssen die Färinger noch ganz schön oft Tunnel fahren. Trotzdem ist das schon ein beeindruckendes Erlebnis. Die 130 Kronen durchaus wert. Wenn man dann in rasanter Bergabfahrt 160 Meter unter dem Meer landet, ist der tiefste Punkt des Tunnels erreicht. Optisch hat sich die Verkehrsbehörde dafür richtig etwas einfallen lassen: Illumination ist das Zauberwort. Statt der öden und langweiligen gelben Tunnelbeleuchtung fühlt man sich plötzlich in eine Disco versetzt. Grüne und blaue Lichtbögen geistern über die felsige Tunneldecke. Nach rund 200 Metern ist der Spuk wieder vorbei. Schade eigentlich.
Nachdem es gestern nicht eine Sekunde aufgehört hatte zu regnen, setzen sich die Wetterkapriolen heute wohl nahtlos fort. Es gießt in Strömen!
Einigen der schneidigen Abenteuerurlauber ist wohl schon ein bisschen das Herz in die Outdoorhosen gerutscht. Statt Cliffwanderung in schwindelerregenden Höhen über dem Meer ist jetzt Marathon-Kaffeetrinken in Thorshavns Cafereria-Welt angesagt.
Wir lassen uns weiterhin die gute Laune nicht verderben, unternehmen noch eine kleine Wanderung am Klippenrandweg und warten anschließend auf unsere Fähre. Heute abend um 21.30 Uhr startet die Norröna zur letzten Etappe nach Island. Vielleicht haben wir morgen früh in Seydisfjördur schon Sonnenschein!?
Endlich in Island angekommen!
Endlich in Island angekommen. Der Nebel hat uns begleitet. Von der großartigen Fjordlandschaft sehen wir rein gar nichts. Es ist wie in einer Waschküche. Erst als das Schiff dreht, kann man schemenhaft den Anleger in Seydisfjördur entdecken. Der Zoll ist diesmal gnädig mit uns. Wir werden ohne Kontrolle durch gewunken. Den vielen Wohnmobilen droht Schlimmeres. In einer Schlage warten sie auf die Zollabfertigung – und die ist gründlich! Nur drei Kilo Lebensmittel sind pro Person als Einfuhr erlaubt. Da wird der letzte Aldi-Einkauf in Deutschland dann richtig teuer. Überschrittene Alkohol- und Zigarettenrationen sowieso.
Der erste große Pass gleich hinter dem Ort führt schnurstracks in den Winter. Oben auf der Passhöhe taucht man in die kalte Wolkendecke ein und den Straßenrändern türmen sich noch die Schneebretter. Wir kennen diesen Pass ja schon. Aber wie muss wohl das Szenario auf die Wohnmobilisten wirken? Der einsame Radfahrer quält sich auch in kurzen Hosen und T-Shirt die 15% Gefällestrecke nach oben. Im Schiebegang natürlich.
Der erste große Pass gleich hinter dem Ort führt schnurstracks in den Winter. Oben auf der Passhöhe taucht man in die kalte Wolkendecke ein und den Straßenrändern türmen sich noch die Schneebretter. Wir kennen diesen Pass ja schon. Aber wie muss wohl das Szenario auf die Wohnmobilisten wirken? Der einsame Radfahrer quält sich auch in kurzen Hosen und T-Shirt die 15% Gefällestrecke nach oben. Im Schiebegang natürlich.
Auf der anderen Seite des Berges dann die große Überraschung: Blauer Himmel, angenehme Temperaturen und kanadische Lupinen überall. Nach einem kurzen Einkaufsstopp machen wir uns auf die Socken – Richtung Südküste. Bei einer kleinen Kaffeepause atme ich tief durch. Das ist Island, der Duft im Sommer nach Thymian, der überall wild wächst und besonders von den Schafen geschätzt wird. Natürlich wird es bei uns jetzt jeden Abend vor dem Schlafengehen eine Kanne frischgebrühten Thymiantee geben.
Die erste Nacht in Island verbringen wir auf dem Campingplatz in Höfn. Ausgesprochen wird der Ort Höppn. Direkt am See auf, einer Wiese mit unvergleichlichem Gletscherblick bereiten wir unser erstes Abendessen. Frischer Räucherlachs, Senfsauce und dazu isländische Kartoffeln und isländischen Eisbergsalat. Die Zeit vergeht wie im Flug, plötzlich ist es 0.30 Uhr. Und die Sonne ist noch immer am Himmel zu sehen. Das alles zusammen macht Island für uns so schön!
Islandpferdefest bei Mittelmeerwetter
Islandpferdefest bei Mittelmeerwetter
Heute wollen wir einen ordentlichen Schlag an der Südküste entlang machen. Vorbei geht es an der Gletscherlagune Jökullsálon, die schon am frühen morgen von bayrischen Touristen belagert ist. Nach ein paar Schritten zum Füßevertreten geht es gleich weiter.
Das isländische Landsmót wartet. Zeltplatz, Tribünenplätze und die Eintrittskarten haben wir bereits über das Internet geordert. Es ist gewaltig, was da auf uns in Hella (gesprochen Hetla) auf uns wartet. Jeder, der in Island mit Pferden zu tun hat, ist hier vor Ort. Ein riesiges Zelt- und Wohnwagenlager mit schätzungsweise 20000 Besuchern säumt das Turnierfeld. Hie finden an diesem Wochenende die isländischen Meisterschaften mit ausschließlich isländischen Pferden statt. Ein Riesenrummel. Alles wimmelt durcheinander. Da werden Pferde in die Bahn geführt, abgeritten oder gerade warm gemacht. Da sind die Campingtische und Klappstühle aufgebaut und dazwischen spielen auch nachts um zwei noch die Kinder. An Schlaf ist da erst einmal nicht zu denken……
Das isländische Wetter meint es weiterhin gut mit uns. Hier auf dem Landsmót in Hella hat man das Gefühl am Mittelmeer gelandet zu sein. Grill, Bier und Badehose inbegriffen. Jede Nacht wird gefeiert bis zum Umfallen. Im wahrsten Sinne des Wortes. Die verschiedenen Reitwettbewerbe ziehen sich ja über eine ganze Woche hin. Jetzt am Wochenende sind die Endausscheidungen und Finalwettkämpfe, dementsprechend viele Menschen sind hier versammelt. Die Isländer sind offensichtlich kollektiv pferdeverrückt. Nur wenige Ausländer haben sich auf der großen Wiese mit den Zelten und Wohnwagen niedergelassen.
Unbestrittener Höhepunkt der gesamten Veranstaltung war am Sonnabendabend das Finale der Töltmeisterschaften. Isländische Pferde beherrschen zu den „normalen“ Gangarten Schritt, Trab und Galopp auch noch den Tölt sowie einen Passgang. Auch unsere Tribünenplätze hatte ich bereits über das Internet reserviert. Wie gut! Dicht an dicht saßen, lagen und standen die Menschenmassen. Und ausgerechnet in diesem Tohuwabohu stehe ich plötzlich vor Birna. Sie ist Bäuerin auf dem Hof Skárney im Nordwesten Islands und „natürlich“ beim Landsmót dabei. Drei Pferde hat sie hier vorgestellt, jetzt ist der Spaß an der Reihe. „Nur noch gucken und sich an den schönen Tieren erfreuen“, so ihre Devise. „Heute kannst du hier die Pferdeelite Islands sehen“ betonte sie.
Am Sonnabend war der Campingplatz beim Landsmót dann so voll, dass die Turnierleitung kurzerhand zwei weitere Wiesen zum Campen freigab. Zwischen Pferdetransportern, Futterballen, Riesenjeeps und Pferdekoppel also noch ein weiteres Lager. Am Sonnabend NACH DEN Wettkämpfen gab es dann noch Livemusik auf dem Turnierplatz. Ich hatte den Eindruck, dass alle Jugendlichen unter 20 aus ganz Island plötzlich in Hella aufkreuzten. Natürlich mit Schlafsack und reichlich Alkohol „bewaffnet“. Horst und ich hatten eine Zeltreihe erwischt, die ein ziemlich niedriges Durchschnittsalter aufwies. Entsprechend dröhnten bereits nachmittags die Bässe aus den Autolautsprechern.
Am Sonntagmorgen trieb uns schon gegen 6.30 Uhr die Hitze aus dem Zelt, naja vielleicht auch ein bisschen der Krach aus der „Wagenburg“ nebenan, da wurde die Nacht durchgefeiert. Aber es ist ja nur alle zwei Jahre Landsmót.
Erste Hochlanddurchquerung
Horst möchte ins Hochland. Da für den Westen noch stabiles Wetter angesagt ist, beschließen wir, durch das Kaldidalur (Kaltes Tal) zu fahren. Halt machen wir natürlich an den Hraunfossar (Lavafällen). Schmelzwasser der Gletscher und Regenwasser versickert hier auf einer Lavahochebene und tritt dann auf einer Breite von ca. einem Kilometer in unzähligen kleinen Quellen und Wasserfällen wieder hervor und fließen in die Hvita, den reißenden Gletscherabfluss. Bei dem tollen Wetter ist es ein Genuss, die Wassermassen plätschern zu hören.
Das Kaldidalur hat seinen Namen durch die häufigen Wetterumschwünge erhalten. Die Piste ist mittlerweile gut ausgebaut und kann sicherlich auch bei gutem Wetter von normalen Pkws befahren werden. Grandios das Bergpanorama. Die Strecke führt mitten in die Gletscherwelt hinein. Rechts erst der Thorisjökull, später der Langjökull und der Eiriksjökull schieben sich ins Bild. Auf der linken Seite thront der Ok als kleinster Gletscher. Eigentlich ist seine Pracht mittlerweile völlig dahin. Klimawandel!? In Husafell erreicht die 550 dann wieder bewohntes Gebiet.
A
ls Übernachtungsort habe ich mir für heute den kleinen Ort Arnastapi (Adlerfelsen) gewünscht. Arnastapi liegt am Meer und genau unter dem Snaefellsjökull auf der Halbinsel Snaefellsnes. Bereits Jules Vernes war von diesem Bilderbuchvulkan begeistert. 1446 Meter ist er hoch, die Kuppe ist (noch) vergletschert. Seit unserem letzten Besuch 2006 hat sich die Eiskappe erschreckend verkleinert. Auf dem kleinen Campingplatz regiert nicht etwa ein resoluter Campingwart , nein, unzählige Küstenseeschwalben haben sich ausgerechnet dieses Terrain als Brutplatz erkoren. Jeder Camper wird als Feind behandelt und angegriffen. Zuerst eine Sturzflugattacke auf den Kopf, wenn das nichts hilft noch eine ordentliche Portion Seeschwalbenkot hinterher. Kria, kria tönt es die ganze helle Nacht über den Platz. Kria ist auch der isländische Name für die Küstenseeschwalbe.
Zum Abendessen haben wir heute etwas Besonderes eingekauft. Es gibt bei uns Lammfilet, Toastbrot und dazu Tomatensalat mit Schafskäse. Zum Nachtisch Blaubeerskyr. Und dazu einen Panoramablick auf das tiefblaue Meer und den schwarz-weißen Gletschervulkan über uns.
Vom Snaefellsjökull nach Látrabjarg
Der Campingplatz von Arnastapi hat das gewisse Etwas. Zwar keine Dusche dafür aber sonniger Südhang mit Meerblick und hinter sich der Adlerfelsen sowie der alles überragende Snaefellsjökull. Heute Morgen sind wir bei herrlichem Sonnenschein und warmen Temperaturen aufgewacht. Schnell zusammengepackt und ab geht es Richtung Gipfel.
Isländer würden sagen, der Weg sei für alle Fahrzeuge befahrbar. Aber 15 % Steigung, teilweise nur eine Fahrspur an den Berghang geklatscht und dazu Spitzkehren der Sonderklasse, da muss man schon Nerven und Fahrpraxis haben. Und so ist es auch nicht verwunderlich, dass wir bereits im unteren Drittel zwei entnervte Wohnmobilfahrer aus Bayern treffen. Sie hatten zwar den Ehrgeiz, über die Passstraße zu fahren, aber ausreichendes Reifenprofil fehlte. Außerdem haben sie das Gewicht und die Breite ihres Fahrzeugs nicht berücksichtigt. Also standen sie ratlos als Hindernis an einer Kurve und konnten nicht mehr anfahren. Wir haben für sie den Abschleppdienst angerufen. Das wird ein teurer Spaß für die beiden. Jedenfalls werden sie ihren Islandurlaub so schnell nicht vergessen.
An der Schneemobilstation kann man prima das Auto parken und dann zu einer herrlichen Wanderung starten. Die Gletscherstation war so früh morgens noch nicht besetzt. Deswegen mussten wir uns die Gletscherbegehung zum Gipfel diesmal verkneifen. Aber das Bergpanorama um uns herum war Ausgleich genug. Zuletzt sind wir im Mai vor drei Jahren hier oben gewesen. Erschreckend, wie sehr der Gletscher in dieser Zeit zurückgegangen ist. Nur noch ein ganz geringer Teil der Vulkankuppe ist von Eis und Schnee bedeckt.
Von Stykkishólmur nach Brjárnslekur
In Stykkishólmur gibt es direkt neben dem Campingplatz eine tolle Sundlaug (Schwimmbad). Hier beenden wir im Hotpot den schönen Tag.
Heute setzen wir über den Breidafjord. Die Fähre Baldur kürzt so rund 200 Kilometer allerschlechtester Strecke in gut dreieinhalb Stunden ab. Ankunft in Brjánslaekur, kein Ort, nur eine Fährstation in der Wildnis des Westens. Unsere Fahrt geht natürlich nach Látrabjarg, Europas westlichstem Punkt. Noch eine Attraktion erwartet uns hier. Eine rund 150 Meter hohe Klippe ist der Nistort für unzählige Seevögel. Alken, verschiedene Möwenarten und vor allen Dingen die weltgrößte Brutkolonie von Trottellummen befindet sich an diesem windigen Fleckchen Erde. Also noch eine dicke Jacke über den Pullover und los geht’s – zum Gratwandern. Ich bin nicht schwindelfrei, sobald ich an einem Abhang stehe, habe ich das Gefühl Karussell zu fahren. Nur für ein ganz besonderes Foto kann ich mich überwinden und an den Rand der Klippe treten. Unter mir tost das Meer, über mir der Sturm. Und dazu ziehen immer wieder Seenebelbänke über uns hinweg. Trotzdem ist die Wanderung beeindruckend. Immer wieder geht der Blick in die Tiefe. Überall, auf jedem Felsvorsprung wird gebrütet.Teilweise kann man unmittelbar in die Nester schauen. Die Vögel sind ganz zutraulich, völlig arglos. Die in der oberen Reihe könnte man fast streicheln.
Für so ein Naturerlebnis lohn sich die Höllenfahrt über unvorstellbar schlechte Strecke auf jeden Fall. Etwas enttäuscht bin ich, dass wir keine Lundis (Papageientaucher) sehen. Auf dem Rückweg zum Parkplatz machen wir noch einen Abstecher zum Leuchtturm Bjargtangar. Und hier finden wir sie dann, die putzigen schwarzen Vögel mit dem markanten Schnabel. Wie auch beim letzten Besuch auf dieser Klippe, völlig zutraulich und ohne Scheu.
Seeschwalbenangriff im Schwimmbad
Über das Gebirge geht es zum Wasserfall Dynjandi. Spektakulär die Fahrt und auch die Aussicht. Kein Nebel und keine Wolken trüben unseren Blick. Hochsommerwetter! Bereits zwei Mal sind wir diese abenteuerliche Strecke gefahren, hatten aber immer nur Nebel, Regen und Wolken. Wir genießen und schweigen. Unterwegs entdecken wir das kleine Freibad mit heißem Wasser mitten im Niemandsland. Bereits auf unserer letzten Reise haben wir bei Sturm und Temperaturen um den Gefrierpunkt hier halt gemacht.
Heute gibt es ein heißes Bad mit Blick auf den Fjord und strahlend blauem Himmel. Herrlich. Plötzlich werden Angriffe auf uns geflogen. Seeschwalben brüten hier. Sie legen ihre Eier einfach im Kies ab. Ob am Strand oder Straßenrand, völlig egal. Und die Brut gilt es zu verteidigen. Vogelmutter, Vater und alle Verwandten stürzen sich auf uns. Das bekannte „kria, kria“ tönt uns entgegen. Schnäbel hacken und so mancher Schietklecks fällt vom Himmel. Erst als wir nach dem Bad wieder im Auto verschwinden beruhigt sich die Vogelwelt.
Als Campingplatz heben wir uns heute einen Platz direkt unter dem höchsten isländischen Wasserfall ausgeguckt. Mit dem Rauschen der Wasserkaskaden schlafen wir ein. Erst gegen Neun sind wir heue morgen erwacht. Noch einmal geht es über verschiedene Bergpässe auf schlechten Pisten. Hier in Ísafjördur hat uns die Zivilisation wieder.
In den Westfjorden
Nur wer sehr viel Zeit hat, sollte bei einem Islandurlaub einen Abstecher in die Westfjorde einplanen. Das weitverzweigte Fjordsystem, schlechte Straßen und hohe Bergpässe machen eine Fahrt durch diesen Teil Islands zwar spannend und abenteuerlich, dennoch ist es sehr „gewöhnungsbedürftig“, wenn man den nächsten Ort am gegenüberliegenden Ufer des Fjordes bereits wenige hundert Meter vor sich sieht, ihn aber erst nach Umrundung mehrere Stunden später erreicht. Belohnt wird der Urlauber allerdings mit einer grandiosen Natur, urigen Fischerdörfern und viel Lokalkolorit. Sogar einer Robbenkolonie kamen wir ganz nahe. Die Tiere räkelten sich im Sonnenschein auf kleinen Schären in der Bucht. Bewaffnet mit Teleobjektiv und in Gummistiefeln schlichen wir uns von Stein zu Stein hüpfend an. Zwar beäugten uns die Robben ganz genau, ließen sich aber von uns bei ihrem Sonnenbad keinesfalls stören. Ein beeindruckendes Erlebnis.
Von der „Hauptstadt“ der Westfjorde Ísafjördur aus machten wir einen Abstecher „um den Berg herum“ nach Bolungarvík, einem echten Endposten der Zivilisation. Malerisch in der Bucht liegt das kleine Museum Ósvör. Die restaurierte Fischerkate zeigt eindrucksvoll das Leben der Bevölkerung in vergangener Zeit. Jóhan, der Museumsleiter, hat sich seine alte Fischerkluft aus Schafhäuten, die mit Leinöl wasserdicht gemacht wurden, übergezogen. Dazu Schuhe aus Fischleder. Er erwartet gerade einen Bus mit deutschen Touristen. Herrliches Wetter liegt über der romantischen Szene. Die deutschen Pauschaltouris haben eine „Traumreise“ durch den Westen gebucht und waren sich sicherlich nicht so ganz im Klaren, was sie auf dieser Tour erwartet. Langweilig, schlechtes Essen, lange Fahrzeiten wurde gemeckert. Einige Damen verließen nicht einmal den Bus…..
Schade, es entging ihnen einiges. In einem Trockenschuppen konnte man nämlich original Haukárl sehen und riechen. Diese deftige, isländische Spezialität wird aus den Filets des Grundhais hergestellt. Nach gewöhnungsbedürftigem Rezept. Haie haben nämlich keine Nieren und scheiden den Urin durch die Haut aus. Deshalb ist das Fleisch durch den hohen Ammoniakgehalt eigentlich ungenießbar, ja sogar giftig. Deshalb ist eine kaum zu glaubende Prozedur notwendig.
Die Haistücke vergammeln einfach für Wochen in Plastikbehältern mit Wasser. Anschließend werden sie luftgetrocknet und dann in Würfelchen geschnitten verzehrt. Sollte man in Island auf jeden Fall probieren.
Auf dem Rückweg fielen uns die mächtigen Fangzäune an der Straße auf. Riesige Felsbrocken stapeln sich sozusagen an der gefährlichsten Autostraße Islands. Immer wieder kommt es hier zu Unfällen durch herabstürzende Steine. Mit Zäunen, Mauern und sogar massiven Stahlträgern versucht man der Gefahr zu begegnen. An einigen Stellen ist sogar mit Geröll-Lawinen zu rechnen. Hier hat man die Straße sogar überdacht. Ein Kreuz und ein Gedenkstein mahnen und erinnern an die Gefahren. Inzwischen ist ein Tunnelprojekt begonnen worden, dass diese gefährliche Strecke überflüssig machen soll.
Höllenschlund und Gletschereis
Heute steht unsere zweite Hochlandfahrt an. Zur Einstimmung planen wir die Durchquerung Islands auf der Kjölur-Route. Diese Hochlandstrecke ist mittlerweile so weit ausgebaut, dass sogar normale PKWs, Busse und Wohnmobile anzutreffen sind. Auch Radfahrer sind unterwegs. Im Staub treffen wir Luca Röösli und Sandra Küng. Die beiden Schweizer sind bereits fünf Wochen per Fahrrad unterwegs. Hochachtung vor ihrer Leistung. Auf dem Kjölur sind alle Flüsse überbrückt, es gibt keine Furten mehr. Die Straße ist natürlich nicht asphaltiert aber meistens können sich zwei Fahrzeuge begegnen. Allerdings muss man mit übelster Waschbrettpiste und zum Teil auch heftigsten Gefällestrecken rechnen.
Die Oase Hveravellir ist für den Islandneuling sicherlich ein Höhepunkt der Strecke. Ein warmer Bach sorgt für grüne Wiese und viele Pflanzen, die ansonsten nicht in der Wüste zu finden sind. Die Attraktion ist aber die „Hot-Spring-Area“. Mehrere Fumarolen, kleine Geysire und kochende Schlammtöpfe sind regelrecht malerisch angeordnet. Ein Holzsteg führt durch das Höllenszenario. Und zum Schluss das Beste: Ein natürlicher, aus Sinterstein entstandener Hot-Pot lockt zu einem außergewöhnlichem Bad ein.
Ein Tal im Kerlingafjöll-Bergmassiv
Unser Ziel ist heute aber ein heißes und kaltes Tal im Kerlingafjöll-Bergmassiv. Eine schaurige Piste zweigt vom Kjölur ab und führt ca. 25 Kilometer in die bunte Berg- und Gletscherwelt hinein. Eine üble Wegstrecke! In unzähligen Windungen führt die Geröllpiste bergauf. Horst fährt nur noch im untersetzten Geländegang. Zwei ordentliche Furten sind zu bewältigen. Da es länger nicht geregnet hat, führt die Frischwasserfurt kaum Wasser, die Furt durch den Gletscherbach dagegen ist ziemlich reißend, da die Sonne ordentlich am Gletscher nagt.
Der Höllenritt lohnt sich! Oben über dem Tal dann ein grandioser Ausblick. Ein heißer Bach fließt durch eine unwirkliche Landschaft. Fast hat man das Gefühl auf dem Mars gelandet zu sein. Bunte Berge in allen Rot-, Gelb-, Blau- und Grüntönen umrahmen das Tal. Dazwischen Fumarolen, blubbernde Schlammtöpfe und ausblühende Schwefelgase. Violette Krusten und vor allen Dingen das giftgrüne Moos vervollständigen das absolut einmalige Bild. Aber das ist noch nicht alles. Eine Gletscherzunge und mehrere Schneebretter machen das Bild zu einem unvergesslichen Eindruck. Wir wollen hier Wandern. Ein Abenteuer versprechender Pfad führt abwärts, steil abwärts. Nur mit unseren Wanderstöcken kann man sich am Hang halten. Mit kleinen Pfosten ist der Weg durch die Hölle markiert. Tunlichst vermeiden wir einen Schritt auf die weißen Flächen. Hier kann man schnell in die heiße Erdkruste einbrechen. Unten im Tal angekommen, kann ich nur noch den Kopf schütteln. Das ist nicht unsere Welt, das ist Außerirdisch! Über den heißen Fluss führen kleine Holzstege. Buntes Gestein rund um uns herum. Darüber hat sich ein blau schimmernder Gletscherbrocken verfangen. Ein Rundwanderweg führt durch diese Welt der Elementarkräfte. Hier kämpfen wirklich Feuer und Eis miteinander. Nach rund vier Stunden stehen wir wieder am Auto. Sprachlos. Ohne Worte verlassen wir diesen Ort und machen uns auf, um auf der Rüttelpiste den Kjölur zu erreichen.
Plötzlich ein Aufschrei. „Ich habe unsere Wanderstöcke an Auto gelehnt und vergessen einzupacken“ erinnert sich Horst. Also 25 Kilometer zurück. Eine Furt und noch eine Furt. Endlich stehen wir wieder auf der Anhöhe mit dem grandiosen Talblick. Kaum zu glauben, unsere Stöcke liegen noch genauso da, wie sie umgefallen sind. Ja, auch das ist Island. Kurz vor Mitternacht erreichen wir den Campingplatz am Geysir im Haukadalur. Müde wird schnell das Zelt aufgebaut, Tee gekocht und ein paar Brote geschmiert. Kaum haben wir es uns im Schlafsack gemütlich gemacht, beginnt es zu regnen. Das ist Timing!!!!!!
Fünf Tage im Hochland unterwegs
Endlich führen die Gletscherabflüsse kein Hochwasser mehr. Der Dauerregen hat aufgehört. Wir nutzen sofort die Gelegenheit und brechen auf – Richtung Inland. Obwohl es schon 18 Uhr ist. Noch schnell in Hella eingekauft und Benzin nachgetankt und schon sind wir auf dem legendären Sprengisandurleid, der Piste, die zwischen den beiden imposanten Gletschern Hofsjökull und Vatnajökull von Süd- nach Nordisland führt. Berüchtigt die Lavastufen, die nur per 4x4 zu überklettern sind, blitzschnelle Wetterwechsel und vor allen Dingen die schwierigen Auf- und Abfahrten der Bergpässe machten bis vor einigen Jahren die Fahrt zu einem Abenteuer mit ungewissem Ausgang. Heute ist die Piste durch Ausbaumaßnahmen mehr oder weniger gezähmt. Sogar normale PKWs könnten sie unter normalen Umständen bezwingen. Wären da nicht ungefähr in der Mitte der Strecke zwei ausgesprochen unangenehme Furten. Im Abflussgebiet des Gletschers Tungnafellsjökull gibt es bei Tómasarhagi eine tiefe Furt, die durchfahren werden muss.
Von Süden kommend, genießen wir eine herrliche Sommernacht in Islands Wüste. Die tiefstehende Sonne hat sich hinter einer dünnen Wolkenschicht versteckt, in allen Silbertönen glänzt plötzlich die nasse, schwarze Lavaasche. Ganz allein sind wir auf der langen Strecke von Islands Südküste in den Norden. Silbern schimmert das Wasser der Pjórsá und etwas später der weitverzweigte Hochlandsee Kvíslavatn vor unseren Augen. Immer höher schraubt sich die Piste in die isländische Vulkanwelt des Inlands. Der Wind hat ordentlich aufgefrischt und die Temperaturen hier oben lassen auch nicht gerade an Badefreuden und Bikini denken. Dann taucht auch schon die Bergstation von Nyidalur auf. Hier gibt es eine bewirtschaftete Hütte, die den Gästen eine Schlafsackunterkunft und eine warme Stube bietet. Gleich nebenan hat die Bergwacht ihre Station. Die Wiese hinter der Hütte ist Campingplatz. Mittlerweile hat sich der Wind zum ausgewachsenen Sturm gemausert. Bei knapp 2° C bekommt man beim Zeltaufbau ordentlich kalte Finger. Der Rundumblick entschädigt dies aber total. Hochland in Vollendung! Mehrere Glescherzungen und Gebirgszüge prägen das Bild. Und dann die Stille. Echte Stille. Kein Auto, kein Radio und auch keine anderen Zivilisationsgeräusche. Wir machen es uns trotz fortgeschrittener Zeit (mittlerweile ist es ein Uhr) im Zelt bei heißem Tee und Suppe gemütlich.
Die Herbergsmutter hatte mir gestern Nacht noch angeboten, dass ich in ihrer Küche vom großen Heißwassertopf meinen Kaffee brühen kann. Natürlich folgt ein nettes Gespräch. Horst packt inzwischen unsere Sachen. Eine Gruppe Franzosen versucht ebenfalls, mit der Tücke des Zeltabbaus bei Sturm klar zu kommen. Es sieht schon lustig aus, wenn mehrere Männer versuchen, ein Stück Stoff zu bändigen. Für uns heißt es jetzt Abschied nehmen. Ein Mitglied der Bergwacht hat uns versichert, dass beide Furten an diesem Morgen gut zu meistern sind. Also rein ins Vergnügen. Die erste ist zwar breit aber gut zu durchfahren. Bei der zweiten holt Horst zum ersten Mal in diesem Islandurlaub seine Wathose hervor. Eine hohe Abbruchkante ist an der Einfahrtstelle durch das Hochwasser entstanden. Es wäre riskant hier die Furt zu versuchen. Also tastet sich Horst erst einmal zu Fuß durch den Fluss. Etwas weiter aufwärts findet er die perfekte Durchfahrtstelle. Auch der Hochlandbus des isländischen Outfitters mit den Franzosen ist mittlerweile an der Furt angekommen und durchfährt sie problemlos an der neuen Stelle. Wir folgen gemächlich.
Schlag auf Schlag wechselt das Panorama vor unseren Augen. Eine Bergkuppe und eine Gletscherzunge nach der anderen schieben sich in unseren Blick. Dazu ein unvergessliches Wolkenspiel. Aufrüttelnde Waschbrettpiste, Sandpassagen und Lavatreppen wechseln sich ab. Das Auge sieht hier nur Grau, Schwarz, natürlich das Weiß der Gletscher und ein bisschen dumpfes Braun. Hier kann man gut nachempfinden, warum die Sprengisandur von den ersten Siedlern ungern durchritten wurde. Hier entstanden sicher auch die Geschichten von Trollen, Elfen, Gespenstern und Wiedergängern, an die viele Isländer auch heute noch glauben.
Erste zarte Grüntöne kündigen das Ende der Hochlandpiste an. Schafe tauchen auf. Liegen direkt auf der Straße. Erst energisches Hupen macht ihnen Beine. In Island laufen mit der Schafsmutter zwei Junge den ganzen Sommer über frei auf den Hochlandweiden umher. Direkt am Godafoss (Götterwasserfall) endet die Piste. Klar, dass wir uns im Imbiss an der Tankstelle erst einmal eine mit Schafdung geräucherte Forelle gönnen. Das ist hier die Spezialität. Inzwischen ist der Himmel wieder dunkel geworden. Da der Skálfandafljót Hochwasser führt, sind die Kaskaden des Godafoss mächtig und donnern ordentlich über den Fall. Dazu die düsteren Wolken, Endzeitstimmung, wie es die Nordmänner in der Edda beschrieben haben.
Klar, dass wir am Myvatn erst einmal das Northern-Light-Nature-Bath aufsuchen. In der Heißwasserlagune kann man herrlich entspannen und das mit Blick über den Myvatnsee und in die umgebende Lava.
Ein Vulkan namens Schachtel und ein Berg mit breiten Schultern
Wir sind wieder unterwegs. Über den schwefelstrotzenden Narmaskard geht es wieder Richtung Inland. Die Wetterlage ist zwar nicht besonders, wir wollen es aber wagen, die Hochlandpiste F88 zur Herdubreid und weiter zur Askja zu befahren. Hier ist der Weg etwas rauer. Aber dafür auch ungleich abwechslungsreicher und schöner. Schon beim Abbiegen von der Ringstraße in die Hochlandpiste, liegt er majestätisch vor uns, der Tafelvulkan Herdubreid (1682 Meter).
Wie eine überdimensionierte Geburtstagstorte überragt der Berg alle anderen um ihn herum. Gleichmäßig rund geformt und mit etwas Schnee bedeckt, galt und gilt er als Götterburg „Asgard“. Bläulich schimmern seine Flanken im Sonnenlicht. Kein Wunder, besteht er doch aus vulkanischem Glas. Vulkanausbrüche unter einem Gletscher haben den „Breitschultrigen“, wie der Berg übersetzt heißt, geformt. Ein kleiner Schlot im oberen Bereich markiert den Gletscherdurchbruch. Bald erreichen wir die Oase Herdubreidarlindir. Ja, eine richtige Oase. Denn wir befinden uns in Europas größter Wüste. Hier regnet es zwar häufig, das lockere Vulkangestein und die Asche lässt das Wasser aber sofort versickern, Pflanzenwuchs ist unmöglich. So entsteht der Eindruck einer Mondlandschaft. Und wirklich, vor ihrer ersten Mondexpedition haben die Amerikaner hier den Ausstieg aus der Raumkapsel geübt. Herdubreidarlindir ist ein Labsal für das Auge. Ein kleiner Bachsorgt für grüne Ufer. Hier findet man auch noch das arktische Weidenröschen, das mittlerweile auch in Island sehr selten geworden ist. Dazu riesige Engelwurzstauden. Eine Berghütte bietet Übernachtungen an, ein kleiner Campingplatz ist angeschlossen. Ein friedliches Stückchen Erde.
Aber wir wollen weiter. Zur Askja. Übersetzt bedeutet der Name des Vulkans einfach Schachel. Die Askja ist einer der aktivsten Vulkane Islands und hat schon oft für Verderben bei der Bevölkerung gesorgt. So verwüstete sie im 18. Jahrhundert weite Landstriche mit ungeheuren Bimssteinmengen, rund 10000 Isländer wanderten daraufhin nach Amerika aus. Ihr Land, ihre Lebensgrundlage war vernichtet. Heute ist die Askja ein touristisches Highlight. Tagtäglich fahren hochlandgängige Busse von Akureyri und dem Myvatn hierher. Bei einem großen Ausbruch ist die Magmakammer des Vulkans so wie geleert worden, dass anschließend der Boden einstürzte. Eine riesige Caldera entstand. Heute kann man von der Berghütte Dreki, die an der malerischen Drachenschlucht liegt, eine ungemein reizvolle Wanderung in das Innere des Vulkans unternehmen.
Die höchsten Gipfel des Dyngjuföll-Massivs sind über 1300 Meter hoch, die Askja 1245 Meter. Entsprechend kalt und wetterwendisch ist es hier oben. Auch im Juli bedecken weite Schneefelder die Caldera. Wir haben diesmal Glück. Kein Nebel, gute Sicht. Kleine Pfosten markieren den Weg. Hier oben hat sich schon so mancher Wanderer verirrt. Horst hat sein Garmin (GPS) dabei. „Backtrack“ heißt ja heute das Zauberwort der Sicherheit des Wanderers. Der Aufzeichnung des Weges kann man auf jeden Fall auch bei dickstem Nebel wieder zurück folgen. Wir erreichen den Öskjuvatn, einer der tiefsten und mysteriösesten Seen Islands. Kalt ist es hier. Gleich daneben der Viti. Viti bedeutet in der isländischen Sprache „Hölle“. Und ein wahrer Höllenschlund tut sich hier auf. Kaum zu glauben, zwischen Eis und Schnee und in unmittelbarer Nachbarschaft eines eiskalten Kollegen, hat sich ein kleiner Kratersee mit heißem Wasser gebildet. Ganz mutige Wanderer baden hier sogar. Hinterher sollte man allerdings keinesfalls auf ein wirkstofferprobtes Deo oder eine ordentliche Portion Parfüm verzichten. Vitiwasser stinkt nämlich erbärmlich nach faulen Eiern. Schwefelhaltige Verbindungen sorgen für den alles durchdringenden Geruch.
Wir bleiben in dieser Nacht auf dem kleinen Platz hinter der Drekihütte. Nicht etwa Wiese so als Untergrund sorgt heute für guten Schlaf. Hier wachsen ja kein Halm und kein Strauch. Über und über ist der Zeltplatz mit runden Bimssteinen bedeckt. Eine Tortur für die Knie! Trotzdem ein kalter, nasser und schöner Abend. Zu uns gesellen sich vier Holländer mit ihren Zelten. Kontakt entsteht hier sofort. Es regnet zwar mittlerweile in Strömen, trotzdem wechseln Tabletts mit leckeren Häppchen von Zelt zu Zelt. Lachs und Hangikjöt (geräuchertes Lamm) schmecken köstlich!
Weiter zum Kverkföll
Am nächsten Morgen nehmen wir Abschied von der Askja. Wir wollen weiter zum Kverkföll. Die Piste fordert alles von unserem Patrol. Jetzt ist es richtig rauh. Ein vulkanischer Gebirgszug muss überklettert werden. Nur ganz grob haben die Straßenbauer einen Treck in die Felsen gehauen. Der Anblick des Gebirges ist wieder einmal überwältigend. Obwohl die Landschaft nur aus Steinen und Sand besteht, ist sie sehr abwechslungsreich. Gedrehte Lavaströme, übereinander gestapelte Basaltsäulen, vulkanische „Kotzbrocken“ und immer neue Sandverwehungen prägen das Bild.
Schon kann man vor uns den Kverkfjöll erkennen. Das Gebirge ist sehr markant. Eine Gletscherzunge hat im Laufe der Jahrtausende den Gipfel in zwei Teile zerteilt. Jetzt sieht man zwei Zipfel, zwischen denen sich die Gletscherzunge ins Tal wälzt. Aber in der Nähe der Berghütte gibt es noch eine atemberaubende Attraktion. Eine Eishöhle im Gletscher. Über die Geröllhalden der Endmoränen kann man sie direkt erreichen. Ein bisschen Kletterei und gutes Schuhwerk sind natürlich nötig. Portalartig öffnet sich der Gletscher zu einer großen Höhle.
Heißer Dampf steigt im Inneren auf. Geothermale Kräfte haben dieses Kunstwerk ausblauem Eis geschaffen. Ein heißer Bach fließt direkt aus dem Inneren des Gletschers. Hier könnte man glatt baden. Leider ist das Betreten der eisigen Prachthöhle äußerst gefährlich. Immer wieder lösen sich große Eisbrocken aus der Decke und stürzen mit Donnergetöse herab. Horst wagt sich trotzdem in die Nähe, ich fotografiere was das Zeug hält. Ein Abenteuer, das wir so schnell nicht wiederholen werden. Zum Schluss sogar noch ein Bergrutsch. Plötzlich löst sich am Hang, an dem der Weg zur Gletscherhöhle verläuft, eine dicke Geröll-Lawine. „Glück gehabt, nichts passiert“, ist mein einziger Gedanke.
Unser Weg führt wieder nach Norden. Immer noch hält uns die Verschiedenartigkeit der Gesteinslandschaft gefangen. Noch einige Furten sind zu bewältigen, dann sieht man die ersten Schafe wieder weiden. Anzeichen der nahenden Zivilisation. Einen schönen Campingplatz mit Freikarten für das angrenzende Freibad finden wir mitten in Husavík, der inoffiziellen Whale-Watching-Hauptstadt der Welt. Die nette Dame in der Touristinfo erzählt uns, dass letzte Woche sogar Blauwale vor der Küste gesichtet wurden! Wir begnügen uns heute aber mit der Sundlaug, der isländischen Version von Badefreude. Warmes Wasser im 50-Meter-Becken, 39° im Whirlpool und sogar 41° im Hotpot. Einfach Spitze, das erweckt die staubigen Lebensgeister sofort wieder!
Europas größter Wasserfall
Von Husavík aus ist es ein Katzensprung zu weiteren isländischen Naturwundern. Vor allen Dingen der Dettifoss, Europas größter Wasserfall, ist einen Besuch wert. Der Wind steht so ungünstig, dass wir eine Gratisdusche am Abgrund bekommen. Dazu hat es auch wieder angefangen zu regnen. Na super! Trotzdem ist die Szene mehr als eindrucksvoll
Von Pannenteufeln und haarfreundlichem Hochlandstaub
Jetzt hat uns auch der Pannenteufel erwischt. Nach einer Pistenfahrt auf der F821 von Akureyri Richtung Sprengisandur hat unsere Halterung für den Reservereifen unter dem Auto seinen Geist aufgegeben. Diese Strecke, die sich auf rund 40 Kilometern Länge von Meereshöhe bis auf die Hochebene mit über 900 Metern emporwindet, ist wirklich nur für gute Nerven geeignet. Ich habe keine guten Nerven. Direkt am Abgrund führt die schlagloch- und lavabrockenübersäte Fahrspur immer höher in die Wolken. Teilweise ist nicht einmal mehr der Ansatz eines Weges zu erkennen. Horst bleibt ganz ruhig, ich kann nur mit Mühe ein Dauerstöhnen unterdrücken. Rums, schon wieder eine tiefe Steinstufe. Plötzlich ist der Weg ganz weg. Nun geht es einfach im Bach weiter. Gut, dass dieser wenigstens kein Hochwasser führt. Immer wieder schaue ich nach unten. Ein Panorama wie im Bilderbuch. Das tief eingeschnittene Tal mit grünen Hängen, kleinen Bächen und natürlich vielen, vielen Steinen und Felsbrocken verliert sich unter uns. Zum Träumen ist keine Zeit. Fahrtechnik ist gefragt. Ganz vorsichtig umkurvt Horst die größten Brocken. Viel Platz ist nicht, oft steht der rechte Vorderreifen direkt am Abgrund…
Dann endlich ist es geschafft, wir haben die Hochebene erreicht. Unser erstes Ziel ist die Oase Laugafell. Doch plötzlich hören wir deutliche Klopfzeichen. Nicht etwa ein Troll versucht mit uns Kontakt aufzunehmen. Nein viel schlimmer. Unter dem Auto ist ein Teil der Reserveradhalterung abgebrochen. Hier mitten in der Wüste. Horst hat eine Idee und viel Blumendraht (das ist unterwegs für viele Reparaturen rund um das Auto und die Ausrüstung unentbehrlich). Mit einem Stück Holz und Draht wird das Teil geschient. „Das hält für die Ewigkeit“ meint Horst.
Schwarze Sandwüste umgibt uns hier oben. Reizvoll die verschiedenen Lichtreflexe in der Lava. Eine lange Staubfahne ziehen wir hinter uns her. Blauer Himmel, Hochsommer im Hochland. Mittlerweile ist es im Auto so heiß geworden, dass wir Seitenfenster komplett herunterkurbeln. Beim Abbremsen überholt uns manchmal der Staub, dann wird es komplett dunkel im Auto. Fettige Haare bekommt man im isländischen Hochland jedenfalls nicht. Der feine Sand hat schon längst seinen Weg in meine Frisur (oder was davon übrig ist) gefunden. Da sind Haarspray oder Gel überflüssig. Ich freue mich schon auf eine ausgiebige Dusche.
Viel Diesel, viel Gluckgluck
Die Oase Laugafell liegt in der Nähe des Sprengisandur unter dem Gletscher Hofsjökull. Trotz der unsagbar schwierigen Piste hierher, herrscht Betrieb. Ein isländisches Ehepaar hat sein Zelt und die Klappstühle aufgeschlagen. Gleich daneben eine Familie in Liegestühlen. Eine Atmosphäre wie am Mittelmeer. Kein Wunder, steht doch hier Islands exklusivste und einsamste Badeanstalt. Gespeist von einer heißen Quelle gibt es ein gemauertes Badebecken inmitten der grünen und blumenbunten Oasenlandschaft. Drumherum nur schwarze Sandwüste. Bizarrer kann man sich einen Badeurlaub nicht vorstellen. Jetzt gesellt sich noch ein italienisches Pärchen mit drei Kindern und mit einem gemieteten Nissan Patrol. „Viel Diesel, viel Gluckgluck“, so sein Beitrag zum Fachgespräch unter Geländewagenfahrern. Tja, leider sind die isländischen Benzinpreise genau so saftig, wie bei uns in Europa.
Dem Genuss folgt gleich nach der Weiterfahrt die Ernüchterung. Wieder Klopfzeichen von unten. Diesmal viel nachdrücklicher. Mittlerweile ist die gesamte Verstrebung herausgebrochen, der Reservereifen liegt auf der Erde. Was tun? Unser Auto ist vollgestopft mit Ausrüstung. Dort nimmt auch schon der zweite Reservereifen eine Menge Platz weg. Dazu vier Kanister mit Reservediesel, Wasserkanister und, und, und. Platz wäre nur noch auf meinem Schoß. Aber so ein Geländewagenmonstrum rund 200 Kilometer auf deftigster Rüttelpiste im Arm? Ich protestiere aufs Schärfste. Schließlich die Lösung: Da wir noch einen zweiten Reservereifen bei uns haben, lassen wir diesen einfach in Laugafell! Gesagt, getan. Erleichtert fahren wir weiter. Die Panne hat uns viel Zeit gekostet, mittlerweile ist es 22.30 Uhr. Trotzdem scheint die Sonne. Lange Schatten in der Wüste. Immer wieder muss Horst halten, da so viele besondere Fotomotive vor uns auftauchen.
Wieder in Nýidalur
Gegen Mitternacht erreichen wir die Bergstation Nýidalur direkt am Sprengisandur. Hier haben wir schon einmal übernachtet. Wenn man überlegt, dass die Sprengisandur-Route 1930 zum ersten Mal mit dem Auto befahren wurde, dann kann man sich auch vorstellen, wie unnahbar und wetterabhängig diese Strecke auch heute noch ist. Damals wagten vier junge Isländer in einem Ford ohne besondere Geländeausrüstung das Abenteuer. Vollbeladen mit Benzinkanistern, Proviant und Wasser war ihr Fahrzeug. Sieben Tage dauerte damals die Durchquerung des Hochlandes, die vorher nur mit Islandpferden möglich war. Die schwierigste Aktion war wohl dabei die Überquerung des Gletscherflusses Tungnaá. Auch heute spielen sich Autofahrerdramen hier oben im Hochland ab. Die Herbergsmutter der Berghütte ist gleichzeitig Mitglied der Bergwacht und kann ein Lied vom bodenlosen Leichtsinn und der Unkenntnis vieler Touristen ein Lied singen. So sei erst letzte Woche eine italienische Familie mit kleinen Kindern in einem Mietfahrzeug ohne Benzin- und Wasservorräte, ohne warme Kleidung und nur mit der bunt bebilderten Autolandkarte des Autovermieters vom richtigen Weg abgekommen. Das man sie rechtzeitig fand, sei nur einem Zufall zu verdanken gewesen. Das Auto befand sich am Anfang einer so abwegigen Gletscherpassage, die ansonsten nur bei allerbesten Bedingungen von großen Hanomags zu bewältigen sei. Gott sei Dank hätte der Italiener aber beim Wenden das Auto im Treibsand festgefahren, ansonsten wäre die Suche sicherlich nicht so schnell erfolgreich gewesen. Die Nachtfröste hätten ihr übriges dazu getan.
Nicht zu fassen, schon wieder ein Troll
Heute Morgen starten wir schon um 7 Uhr in Nýidalur. Traumwetter, kein Wölkchen am Himmel. Wir konnten bereits um 6 Uhr draußen in kurzen Ärmeln frühstücken, und das in 800 Metern Höhe. Den ersten Teil der Strecke dominieren die Gletscher. Eine Zunge nach der anderen kommt der Piste nahe. Immer wieder neu und immer wieder atemberaubend. Wir besteigen kleine Berge, um noch mehr Ausblick zu bekommen. Eine dicke Wüstensand-Lavastaubschicht hat meine einst grüne Hose mittlerweile in eine durchgehend Graue verwandelt. Gegen Mittag dann wieder der Troll. Kaum zu glauben, unter unserem Auto klopft es wieder. Wir haben gerade die Abzweige nach Veidivötn passiert, da muss Horst wieder unter den Wagen kriechen. Jetzt ist der letzte Rest der Reserveradhalterung abgebrochen und schleift. Mit zwei Schraubenschlüsseln, viel Caramba und noch mehr Muskelkraft versuchen wir, das Teil endgültig abzubauen. Es gelingt.
Nun haben wir hoffentlich für den Rest der Fahrt Ruhe vor Trollbesuchen und losgerissenen Autoersatzteilen.
Veidivötn ist ein Eldorado für Fliegenfischer. Riesige Forellen warten hier in den unzähligen Maaren auf die Angler. Kleine Ferienhäuser und ein Campingplatz sind im Sommer ständig überfüllt. Der Menschenauflauf wäre sicherlich noch größer, wenn nicht zwei wirklich garstige Furten auf dem Weg ins Anglerparadies bewältigt werden müssten. Dazu kommt der „Eintritt“ für die Sportfischer. 120 Euro kostet der Spaß für zwei Ruten und zwei Tage. Stefán treffen wir am Schlachtplatz. Eine Nirostaspüle mit Wasseranschluss steht den Anglern vor dem Haus des Warden zur Verfügung. Vier stattliche Forellen hat der junge Mann aus Reykjavík zusammen mit seiner Freundin gefangen. Die Fische werden gerade bratfertig gemacht. Jede wiegt gute fünf bis sechs Pfund. Mit etwas Glück würden auch Forellen mit bis zu 9! Kilo anbeißen, erzählt er uns.
In Landmannalaugar
Als Umkehrpunkt für diesen Tag haben wir uns Landmannalaugar ausgesucht. Landmannalauger bedeutet ja in der isländischen Sprache „das Bad der Bauern“. Das deutet schon darauf hin, welche Attraktion hier auf die Besucher wartet. Ein heißer Badepool und sogar ein warmer Fluss durchströmt das Tal. Damit aber noch nicht genug. Rundherum vulkanische Superlative. Reolitberge, wie der Brennisteínsalda und der Bláhnúkur überragen die Szene. In allen Farben schimmert das Gestein. Giftgrüne, orange und sogar tiefblaue Moose bedecken die Bachränder. Weiße Wollgrasblüten und sattgelbe Sumpfdotterblumen überall. Kein Wunder, dass dieses Tal, einer der Lieblingsausflugsorte der Isländer und der vielen Touristen ist.
Entsprechend das Getümmel am Sonntagnachmittag. Regelrechte Staus auf dem Badesteg. Sogar die Odinshühnchen wundern sich. Aber ein Bad in einem warmen Fluss in dieser Umgebung ist nun einmal ein Highlight eines jeden Islandurlaubs. Ganze Busladungen mit Touristen werden hierher gekarrt. Der Campingplatz hat Festivalcharakter. Wir verzichten auf den Rummel und verziehen uns. Ich weiß nicht, ob ich so einem heißen Bad, Hüfte an Hüfte mit unzähligen anderen Badegästen, etwas abgewinnen könnte.
Mittlerweile hat sich der Himmel eingetrübt, unnahbar und dunkel drohend steht die schneebedeckte Hekla über unserem Weg. Oststurm kündigt sich an. Und Regen. Wir wollen heute noch nach Hella. Dort gibt es einen Campingplatz, der durch hohe Hecken gut gegen Wind geschützt ist. Schnell das Zelt aufgebaut, Horst sichert unsere Stofftüte noch mit einigen Extraleinen. Und schon bricht er los, der Sturm. Dazu gießt es, wie aus Eimern. Warm und trocken lassen wir den Tag Revue passieren.
Heiße Sommernächte und ein kaltes Bad im Gletscher
Die Ereignisse überschlagen sich. Das gute Wetter hält uns die Treue. Ungewöhnliche 25° C begleiten uns seit einer Woche kreuz und quer über die Insel. Nur vorgestern versagte der Wettergott kläglich. Wir hatten uns aufgemacht, die Laki-Krater zu erkunden. An der Küste in Kirkjubaejarklaustur noch blauer Himmel und Sonnenschein. Kaum hatten wir auf der F206 Kurs auf die vulkanisch hoch interessanten Krater genommen, kam Nebel auf. Aber nicht nur so ein bisschen Dunst, wie wir es bei uns an der Küste häufig haben. Nein. Man konnte die Hand plötzlich nicht mehr vor Augen sehen. Trotzdem weiter. Am Rand des Naturschutzgebietes erklärt dann eine Übersichtstafel die Entstehung der Laki-Kraterreihe: Der Ausbruch der Laki-Spalte 1783 war die größte Naturkatastrophe seit der Besiedelung der Insel. Damals traten neben 12 km³ Lava; die sich über eine Fläche von 565 km² ausbreitete, schätzungsweise 20 Millionen Tonnen Kohlendioxid, 15 Millionen Tonnen Schwefeldioxid und andere giftige Gase aus. Der Vulkanausbruch verwüstete große Flächen Weideland und vergiftete die Gewässer. An den Folgen des Vulkanausbruchs starben rund 10000 Isländer, knapp ein Viertel der damaligen Bevölkerung. Das Vieh verendete, viele Isländer wanderten nach Amerika aus.
Auch heute noch kann man das Grauen des Ausbruchs der Laki-Spalte nachempfinden. Wie auf eine Perlenschnur aufgezogen, reiht sich ein Krater an den anderen. Weite Aschewüsten, die zum die Teil Kilometer dich die Erde bedecken, machen das Gebiet düster und drohend. Endzeitstimmung. Dazu die ziehenden Nebelschwaden und das grellgrüne Quellmoos. Ein nachdenklich machendes Erlebnis. Eine Fahrspur führt rund um die Kraterreihe. Mittlerweile ist das gesamte Gebiet zum Nationalpark erklärt worden. Einige Krater können bestiegen werden, grandios der Ausblick von oben. Trotzdem bin ich froh, diesen düsteren Ort wieder zu verlassen. Der kleine Campingplatz an der Ringstraße direkt an der Südküste in der Nähe des Skaftafell-Nationalparks bietet Sonne pur und sogar ein kleines Schwimmbad. Im Hotpot genießen wir den Abend. Und nachts dann noch ein Gruß des immer noch nicht zur Ruhe gekommenen Untergrunds. Die Erde bebt plötzlich! Zurzeit wird ja die Südküste Islands von tektonischen Verschiebungen in der Erdkruste heimgesucht. Die Isländer nehmen die Erdstöße gelassen, wir auch. Außerdem bin ich viel zu müde, um lange über das Gewackel unter mir nachzugrübeln.
Eisriesen am Jökulsárlón
Gemächlich lassen wir uns bei Sonnenschein an der Südküste weitertreiben. Heute steht auch die Touristenattraktion „Jökulsarlón“ auf dem Programm. Kein Wind. Das gibt es hier unter dem Gletscher und direkt am Meer selten. In der Lagune schwimmen heute unzählige Eisberge. Donnernd bricht gerade so ein Eisriese auseinander. Immer wieder ändert sich das Bild auf dem See. Ständig ändert sich aber auch der Anblick des Parkplatzes. Ein Kommen und Gehen, es ist halt Hochsaison in Island. Leider nimmt sich kaum ein Tourist ein bisschen Zeit zum Innehalten. So eine grandiose Eisszenerie bekommt man sicherlich nicht so schnell wieder zu sehen. Für viele ist offensichtlich der Kiosk mit Getränkeausschank und Andenkenverkauf interessanter als die überwältigende Natur vor ihrer Nase. Sehr schade!
Auf Wiedersehen Island
Unser letzter Urlaubstag in Island. Morgen startet die Norönna mit uns an Bord Richtung Hirstshals / Dänemark. Zum letzten Mal haben wir unsere Angeln an einer Pier in einem der vielen kleinen Fischereihäfen ausgeworfen. Anglerglück, wie man es gar nicht mehr kennt. In einer einzigen Stunde beißen bei mir ein riesiger Seelachs, ein großer Dorsch und ein beachtlicher Schellfisch an. Horst ist mit je einem mittelprächtigen Dorsch und Seelachs zufrieden. Jetzt ist erst einmal Filettieren angesagt. Jedesmal, wenn Horst die abgezogen Fischhaut ins Wasser wirft, veranstalten die großen Raubmöwen einen Riesenspektakel. Da wird sich richtig um den Leckerbissen geprügelt. Wenn dann sogar an jedem Ende des Happens ein Schnabel mit allen Kräften zieht, nimmt das Streitszenario richtig menschliche Züge an. Da wird gehackt, krakelt und mit den Flügeln um sich geschlagen. Die Frechsten plustern sich auf, um auch optisch auf ihre Größe hinzuweisen.
Wir haben eine kleine Extra-Kühlbox nur für Fisch dabei. Wenn wir geangelt haben, füllt Horst am Hafen die Box mit Eis auf. Irgendwie klappt das immer. Ein Fischer, der gerade seinen Fang löscht lässt die Eisreste an der Pier liegen, eine Eisfabrik oder ein Kutter, der gerade Eis für die Ausfahrt geliefert bekommt, ist immer in der Nähe. Wenn gar nichts geht, der nächste Pass mit Schneebrettern vom vergangenen Winter kommt bestimmt. Und noch ein Tipp zur Zubereitung des selbst gefangenen Fischs. Ich nehme von zu Hause grundsätzlich ein paar Tütchen Knorr Panade für Wiener Schnitzel mit. Diese eignet sich ganz vorzüglich für Fischfilets jeder Art. Nach dem Waschen nur noch in der Panade wälzen und ab in die Pfanne. Gewürze sind überflüssig. Außerdem fallen die Fischstücke beim Braten nicht auseinander und haften auch nicht am Pfannenboden.
Da wir in Deutschland dem Angelsport keinesfalls frönen sondern ausschließlich im Urlaub in nordischen Ländern für unseren Eigenbedarf fangen, haben wir auch keine besondere Angelausrüstung. Da nach Island nur veterinäramtlich beglaubigte, desinfizierte Ausrüstung eingeführt werden darf, ist es am einfachsten, eine originalverpackte Angel dabeizuhaben. Wir kauften kurz vor Abreise ein Sonderangebot von LIDL für 14,95. Ein paar Blinker und Stahlvorfächer dazu, und schon kann das Abenteuer Fischfang beginnen. Mit der Zeit bekommt man dann auch einen Blick dafür, wo es sich lohnt, die Angel auszuwerfen.
Man hört ja im Allgemeinen, dass Island ein unerhört teures Land ist. In der Tat. Vor allen Dingen Dienstleistungen wie Essengehen und Hotelunterkunft sind sündhaft teuer. Ein Hotel in der Hochsaison kostet ein Vermögen. Wenn man wie wir hier fünf Wochen Urlaub machen will und nicht gerade vorher im Lotto gewonnen hat, muss man sich möglichst selbst verpflegen und statt Hotel auf den Campingplatz ausweichen. Campingplätze gibt es reichlich, auch im Hochland und in den Nationalparks. Die Ausstattung ist meistens einfach, oft ist der Eintritt ins örtliche Schwimmbad im Preis enthalten. Durchschnittlich 10 – 12 Euro muss man für zwei Personen mit Auto und Zelt pro Nacht rechnen. Es gilt zwar immer noch das Jedermannsrecht, das freie Zelten ist jedoch durch landwirtschaftliche Flächen, Wochenendhäuser und viele Zäune in den letzten Jahren ziemlich eingeschränkt worden. Hinzu kommt, dass die meisten Straßen mittlerweile auf hohen Dämmen verlaufen (wegen der Schneeverwehungen im Winter) und somit kaum noch die Möglichkeit besteht, vom Weg in den Seitenraum auszuweichen. Da ausreichend und günstige Campingplätze vorhanden sind, ist das aber auch kein Problem.
Da sogar an der Tankstelle ein einfacher Hamburger schon mit einer zweistelligen Eurosumme zu Buche schlägt, ist Selbstverpflegung Standard bei vielen Islandreisenden. Supermärkte gibt es genug. Besonders lecker ist natürlich isländisches Lamm. Da die Tiere den gesamten Sommer über im Hochland weiden und dort nur feinste Kräuter zu sich nehmen, erinnert ihr Fleisch eher an Wild und hat mit unserer Vorstellung vom Hammelbraten überhaupt nichts gemeinsam. Mein Tipp: Fix und fertig gewürzte Scheiben aus der Keule auf dem Einweggrill oder in der Pfanne gebraten. Echt lecker! Gibt es auch in dem kleinsten Supermarkt zu kaufen. Den Einweggrill auch. Gurken, Tomaten und Möhren gibt es günstig überall dort, wo Gewächshäuser zu sehen sind. Gewöhnungsbedürftig – wie in allen skandinavischen Ländern – ist das Brot. Weiche, labbrige Weißbrotscheiben, manchmal als Gesundheitsversion auch mit etwa Schrot angereichert. Wenn dieses Brot zwei Tage alt ist, erinnert der Geschmack nur noch an Schaumgummi. Richtig scheußlich, da kommt dann doch so manche Scheibe in die Abfalltonne. Wir haben jetzt die Lösung des Problems gefunden. Auf jeder Reise in den Norden ist unser „Outdoortoaster“ dabei. Diese geniale Erfindung ist bei allen einschlägigen Ausrüstern wie zum Beispiel Globetrotter in Hamburg zu bekommen und besteht aus einer runden, gelochten Metallplatte mit vier aufklappbaren Drähten. Das ganze kommt auf den Gaskocher, die Metallbügel nehmen vier Brotscheiben auf. Genial, wenn morgens leckerer Toastduft durchs Zelt zieht. Die neidvollen Blicke britischer Zeltnachbarn waren uns jedesmal sicher. Und das alte Gummibrot schmeckt wieder wie frisch – oder sogar noch besser.
Molkereiprodukte sind in Island vielfältig und äußerst schmackhaft. Die beiden großen Molkereien in Selfoss und Akureyri versorgen das gesamte Land täglich frisch. Neben verschiedenen isländischen Käsesorten sind besonders Skyr und Súrmjölk zu erwähnen. Skyr ist ein quarkähnlicher Nachtisch, den es mit verschiedenen Früchten oder einfach pur gibt. Die Sauermilch wird mit braunem Zucker (einer Art Melasse) bestreut. Wenn diese so langsam geschmolzen ist, schmeckt Súrmjölk besonders gut.
Harte Zeiten stehen auch besonders den Islandurlaubern bevor, die abends nicht gern auf ihren alkoholischen Schlummertrunk verzichten mögen. In den Supermärkten gibt es nur Leichtbier mit 1,5 % Alkohol. Alle Alkoholika mit höherer Umdrehungszahl muss man in der „Vinbud“ einkaufen – zu horrenden Preisen. Nicht anders sieht es in Gaststätten und Bars aus – da haut das Feierabendbier so richtig in die Urlaubskasse. Wasser dagegen gibt es in jedem Restaurant kostenlos. Wenn man in Island Essen geht, kann man getrost die Bedienung bitten, eine Karaffe Wasser auf den Tisch zu stellen. Übrigens ist es in Island absolut unschicklich ein Trinkgeld zu geben. Dieses wird höflich aber sehr bestimmt abgelehnt. Nur bei mehrtägigen Rundtouren freut sich der Busfahrer über einen entsprechenden Obolus.
Abreisetag
Wieder ein herrlicher Morgen. Bereits um sieben Uhr scheint uns die Sonne zum Abschied ins Zelt. Es ist schon so warm, dass wir in „Strandkleidung“ frühstücken. Vor uns liegt der stahlblaue Fjord. Kein Wind zerstört die exakten Spiegelungen der hohen Berge mit den Schneekappen des vergangenen Winters. Einfach traumhaft schön.
Heute ist Fischereitag
Auch in Höfn scheint die Sonne vom strahlend blauen Himmel. Islandsommer habe ich zu Beginn der Reise meinen Bericht genannt. Genau passend, wie es sich jetzt herausgestellt hat. Im Hafen ist gerade ein Hummerfischer eingelaufen. Rund sechs Tonnen Kaisergranat (die isländischen Hummer) hat er in seiner Ladeluke auf Eis. Dazu den furchterregenden Beifang. Einige riesige Seewölfe zeigen ihr Gebiss aus den Plastikkisten heraus. Horst ist nicht zu halten. Ein Sprung und schon ist er an Bord. Hummer fotografieren und mit der Besatzung schnacken. Den kleinen Campingplatz in Höfn haben wir schon richtig lieb gewonnen. Direkt an einem See schlagen wir unser Lager auf und bereiten unser Abendessen. Es gibt natürlich isländische Hummer! Die Kaisergranat schmecken am besten, wenn man sie einfach in Seewasser abkocht und die Schwänze dann auspult. Eingetunkt in saure Sahne und dazu ein Buttertoast. Superlecker!
Wir haben gerade unser Festmahl beendet, da kommt so richtig Leben auf den Platz. Eine englische Schulklasse mit 15- und 16jährigen Jungs und Mädchen ist auf Klassenfahrt durch Island. Rund um unser Zelt entsteht ihr Heerlager. Zelte werden aufgebaut, Suppe gekocht, Pickel ausgequetscht und Socken gewaschen. Neben dem Topf wird auch ein bisschen Fußball gespielt und die Ausrüstung zum Eisklettern klariert. Völlig aufgeregt sind die Jugendlichen. Endlich kehrt Ruhe im Lager ein. Es ist weit nach Mitternacht. Nur die beiden Jungs im Zelt direkt neben uns finden wohl keinen Schlaf. Tiefsinnig diskutieren die beiden darüber, ob es in dem See nebenan wohl Krokodile gibt. Nicht zu fassen! Trotzdem muss ich immer weiter zuhören. Soviel Nonsens auf einmal habe ich ja noch nie vernommen. Echt CRASY.
Unseren letzten Sonntag in Island nutzen wir, um noch einmal am Dettifoss wandern. Diesmal bei allerbestem Wetter. Auch die Einheimischen genießen die ungewöhnliche Wärme und den blauen Himmel. Sogar Kinder recken immer wieder das Gesicht zur Sonne. Klar, dass jeder Isländer heute unterwegs ist. Am Wasserfall ist Volksauflauf! Trotzdem ist das Panorama unbeschreiblich. Donnernd rauschen die Wasserkaskaden der Jökulsá á Fjöllum (isl. Gletscherfluss aus den Bergen) über die Fallkante. Auf einer Breite von 100 Metern stürzen hier pro Sekunde rund 200 m³ trübes, graues Gletscherwasser 44 Meter in die Tiefe. Der gewaltige Gletscherfluss bringt große Mengen Geröll und Sand vom Vatnajökull mit und bildet in der Jökulsárgljufur den größten Wasserfall Europas. Ziel ist heute wieder der hübsche Campingplatz in Húsavík. Direkt oben am Hang finden wir ein hübsches Plätzchen. Mit Blick über die Stadt und den Hafen warten wir in kurzen Hosen und T-Shirt darauf, dass die Sonne untergeht. Kurz vor Mitternacht taucht sie ab. Es bleibt trotzdem hell. Die ganze Nacht blaue Stunde. Kaum zu fassen, das muss man erleben! Und um vier Uhr geht sie hier im Norden bereits wieder auf. Sofort ist es warm im Zelt. Urlaub wie am Mittelmeer. Um 6.45 Uhr öffnet das Schwimmbad nebenan. Das gibt es auch nur in Island. Um sieben Uhr morgens, noch vor dem Frühstück, wohlig aus dem Whirlpool heraus in die Sonne blinzeln. Unsere Begeisterung kennt keine Grenzen.
Auf zum Snaefell
Von Egilsstadir aus starten wir auf Grund des anhaltend schönen Wetters eine weitere Hochlandtour. Zum Snaefell und dem umstrittenen Stausee am Brúarjökull soll es gehen. Traumwetter. Als wir auf rund 800 Metern Höhe angekommen sind, reicht die Sicht weit ins Hochland hinein. Herdubreid, der König aller isländischen Berge, ist zum Greifen nah. Ein Wahnsinnsblick. Wir kochen Kaffee, sitzen in unseren Klappstühlen und genießen….
Ein gigantischer Staudamm beherrscht jetzt am Snaefell die Landschaft. Ein riesiges Aluminiumwalzwerk ist in Reydarfjördur gebaut worden und benötigt Unmengen an Strom. Dafür ist mit Milliardenaufwand ein Stauseesystem mit Fallrohrtunneln im Hochland gebaut worden. Allein die Zufahrtsstraße ins Hochland hinein ist ein Millionenbauwerk. Aber so kommt man als Tourist sogar ohne Allradfahrzeug in die Bergregion am Snaefell. Vom Damm aus geht es allerdings nur noch per 4x4 weiter.
Eine tiefe Gletscherflussfurt liegt vor uns. Horst steigt in seine Wathosen und erkundet den Fluss. Upps. Plötzlich ist mein Mann verschwunden. Ausgerutscht und umgekippt. Da leuchtet sein roter Pullover im Gletscherfluss. Er kommt wieder auf die Beine und kippt prompt noch einmal um. Dann watet er an Land. Pitschepatsche nass. „Hast du Fotos gemacht“ so seine ersten Worte. Mir ist bei diesem unfreiwilligen Bad fast das Herz stehen geblieben und ich habe im Geiste bereits eine umfangreiche Rettungsaktion per Seil und Trekkingstöcken durchgespielt. Aber das Fotografieren habe ich total vergessen! Horst ist sauer und klappert mit den Zähnen. Schnell trockene Sachen heraussuchen. Dann ein sehenswerter Striptease mit Gletscherpanorama.
Von einem warmen Tal in dieser Gegend hatte ich gehört. Klar, dass wir es finden wollten. Einige isländische Jeeps fuhren einen Weg, der laut Karte irgendwo im Nirwana endete. Das musste es sein. Außerdem war der Endpunkt auch als Laugarfell (Badeberg) gekennzeichnet. Was uns dort erwartete, war kaum zu glauben. Sommerfrische auf Isländisch. Nicht nur ein heißer Bach durchfließt hier ein ganzes Tal, auch unzählige Blumen blühen hier auf üppigen Wiesen. Aber das Beste kommt jetzt erst noch. Ein natürlicher Pool hat sich unter einem warmen Wasserfall gebildet. Kaum zu glauben. Wie die Isländer, ziehen wir in einer alten Schaftreiberhütte die Badesachen an. Herrlich so eine heiße Naturdusche mit weitem Blick über das Fjell.